Montag, 25. Juni 2012

Zitate, HGB Leipzig


"Mich interessiert, welche Materialitäten Sprache hat, mich interessieren die Variablen, die es beim Schreiben als Akt der Formung dieser sprachlichen Materie gibt und schließlich die produktiven Möglichkeiten, die das Schreiben bietet, auch und gerade im Feld der künstlerischen, intellektuellen, wissenschaftlichen Produktion."
Dr. Friedrich Tietjen, Junior-Professor für Geschichte und Theorie der Fotografie Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig.



"Im Mittelpunkt der Beschäftigung der Klasse für Typografie steht die intensive Auseinandersetzung mit der Type und der Schrift in allen ihren Anwendungsformen. Hier wird versucht, Schrift und Typografie als sozialen, gesellschaftlichen und ästhetischen Ausdruck verstehen zu lernen, "Typografie" auch als "Typosophie" zu betreiben.
Interpretari bedeutete ursprünglich: dazwischentreten. Das genau ist der Moment der Typografie - ein Dazwischentreten. Den Text explizit machen, veröffentlichen, ihn lesbar machen. Die Rhetorik der Typografie entfaltet sich auf einer grafisch visuellen Ebene in der Stilistik und Maßstäblichkeit der Buchstaben und in der räumlichen Organisation der Schrift, ihrer Verteilung und ihrem Verlauf, in der Beziehung von Schrift und Medium. Grundlage des typografischen Systems ist die ungleiche lineare Verteilung kodierter und normierter Zeichen auf einer begrenzten Fläche. Die Schriftzeile erzwingt jedes Gemeintsein in eine sukzessive-lineare Punktierung zu übersetzen. Alle schrifterzeugenden Maschinen, ob mechanisch, elektrisch oder elektronisch, folgen diesem System, das Information nicht nur abbildet, sondern auch strukturiert und formt.
Die typografische Arbeit ist der Versuch, Schrift sichtbar zu machen. Es muss deutlich werden, dass eine Übersetzung der Stimme zum Buchstaben, vom Buchstaben zum Buchstaben vorliegt. Als Verfahren gleicht die Typografie deshalb der Aufgabe, ein Maß der Abweichung zu finden; denn die grafische Textur drängt nicht auf diese oder jene Schrift, sie drängt auf den Effekt ihrer Modifikation oder das Spiel der Valenzen von Schriften, die Vagheit der Differenz ihrer Effekte. Typografie misst sich am Buch. Genau betrachtet ist es ein altes Buch voller Anmerkungen, Verweisen und Glossen bereits selbst Kommentar eines noch älteren. Aus der Atmosphäre eines solchen Bildes, der Erinnerung an eine verblichene Kultur und der Lust an dem, was nicht geschrieben steht, zieht die Typografie die Motive ihrer Lebendigkeit."
Prof. Günter Karl Bose, Professor für Typografie und Schrift Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig.